Michał Rusinek – geboren 1972 in Krakau, wo er bis heute lebt. Er ist Professor am Lehrstuhl für Kommunikationstheorie an der Fakultät für Polonistik der Jagiellonen-Universität, wo er Kurse in Rhetorik, Schreibtheorie, Übersetzungstheorie und Creative Writing hält. Er ist gelegentlich als Übersetzer aus dem Englischen tätig, schreibt bisweilen Bücher für Kinder und Erwachsene und verfasst Reime oder Liedtexte. Er schreibt Kolumnen über Bücher und Sprache. Er ist Mitglied der Polnischen Akademie der Gelehrsamkeit, des Rates für die Polnische Sprache der Polnischen Akademie der Wissenschaften sowie des Polnischen PEN-Clubs.
Thema: „Über Fehler, Unglücksfälle, zufällige Assoziationen und die Gefahren der Metaphorik”
Die Sprache, derer wir uns bedienen, hat eine paradoxe Natur: Je korrekter sie ist, desto unauffälliger wird sie, sie entzieht sich unserem Blick. Sie gleicht einer Fensterscheibe, durch die wir die Welt betrachten – so sauber, dass es keinen Punkt gibt, an dem der Blick haften bleiben könnte. Damit wir uns der Existenz der Sprache wieder bewusst werden, muss auf ihrer Oberfläche ein Kratzer erscheinen, ein Fehler, eine Abweichung von der Regel. Erst dann wird uns klar, dass die Erzählung von der Welt aus Wörtern gemacht ist, die ebenfalls ihr Gewicht, ihr Maß und sogar ihre Geschichte haben. Man kann auch eine körperlichere Metapher verwenden. Mit der Zunge – sowohl der anatomischen als auch derjenigen, die der Kommunikation dient – ist es ähnlich: Wir erinnern uns an ihre Existenz erst dann, wenn wir auf ihrer Oberfläche irgendeinen Pickel spüren, etwas, das drückt, schmerzt, reizt, stört oder uns einfach zum Lachen bringt. Diese Gefühle, wie man sieht recht gemischte, haben einen gemeinsamen Nenner: das Bewusstsein für Sprache. Eben diesem Bewusstsein wird mein Vortrag gewidmet sein.
