Politologe. Habilitierter Doktor der Sozial-wissenschaften im Fach Politikwissenschaft und Verwaltungswissenschaft. Professor am Lehrstuhl für Oststudien der Fakultät für Geschichte der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen. Senioranalytiker im Ostteam des Instituts für Mitteleuropa in Lublin.
Forschungsschwerpunkte sind die Länder der ehemaligen UdSSR, insbesondere Belarus und der Südkaukasus. Er beschäftigt sich mit Themen wie: Systemtransformationen im post-sowjetischen Raum, politisch-soziale Veränderungen in Belarus, polnisch-belarussische Beziehungen, Belarus in den internationalen Beziehungen, die Ostpolitik Polens, die polnische Minderheit in Belarus, politisch-soziale Veränderungen im Südkaukasus, Migration und Flüchtlinge, sowie die Funktionsweise der sogenannten nicht anerkannten Staaten im Gebiet der ehemaligen UdSSR.
Stipendiat an der Belarussischen Staatlichen Universität (2018), am Belarussischen Institut für Rechtswissenschaften (2005), an der Staatlichen Universität Jerewan (2013, 2018) sowie an der Armenischen Akademie der Wissenschaften in Jerewan (2021).
Autor zahlreicher wissenschaftlicher Artikel und Publikationen über Belarus und Armenien:
Belarus angesichts des Krieges in der Ukraine – das Scheitern der „Neutralität“ und die geopolitischen Realitäten, in: Mitteleuropa und Osteuropa im Schatten des Krieges zwischen Russland und der Ukraine: geopolitische Herausforderungen und Sicherheitsdilemmata, Hrsg. Stępniewski Tomasz, Institut für Mitteleuropa, Lublin 2023.
Belarus angesichts der COVID-19-Pandemie. Praxis und Realität, „Mitteleuropäische Politische Studien“ 2021, Nr. 4.
Polen in Belarus, in: Die polnische Minderheit in Belarus, Litauen, Lettland und der Ukraine: Bedingungen, aktueller Stand, Perspektiven, Hrsg. Tomasz Stępniewski, Institut für Mitteleuropa, Lublin 2020.
Systemtransformationen in Belarus und deren Einfluss auf die politischen Beziehungen zu Polen
In meinem Vortrag möchte ich die politischen Beziehungen zwischen Polen und Belarus und den Einfluss der Systemtransformationen in Belarus auf diese analysieren. Im Vergleich zu den polnisch-russischen oder polnisch-ukrainischen Kontakten sind die polnisch-belarussischen Beziehungen deutlich weniger dynamisch und inhaltsreich. Rückblickend ist dies bemerkenswert und unverständlich, da das Fehlen tragischer Konflikte in der Geschichte eine ideale Grundlage und Hoffnung für eine schnelle und reibungslose Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Polen und dem wieder unabhängig gewordenen Belarus darstellte. Belarus war in der polnischen Ostpolitik in der ersten Hälfte der neunziger Jahre kein Priorität. Das Entstehen eines unabhängigen belarussischen Staates wurde nicht so optimistisch und spontan begrüßt wie im Fall der Ukraine. Die polnische Diplomatie ging davon aus, dass für die Verwirklichung der grundlegenden Ziele der Außenpolitik im Osten eine unabhängige und souveräne Ukraine am wichtigsten sei. Damit wurde Belarus marginalisiert. Eine entscheidende Frage für den Zustand und Charakter der politischen Beziehungen zwischen Polen und Belarus in der ersten Hälfte der neunziger Jahre war die Zukunft der post-sowjetischen Atomwaffen. Im Gegensatz zur Ukraine stimmte Belarus ohne größere Probleme der Übergabe des Atomarsenals an Russland zu, was in Polen mit unverhohlener Zufriedenheit aufgenommen wurde. Darüber hinaus beschlossen die belarussischen Behörden Anfang der neunziger Jahre, dass das wichtigste Ziel der Außenpolitik der evolutionäre Weg zur Erlangung des Status eines neutralen Staates sein würde, der mit keinem Militärblock verbunden ist. Ein atomwaffenfreies und neutrales Belarus war für die polnische Seite die optimale Lösung. Daher bestand keine Notwendigkeit, intensive politische Kontakte zu pflegen. Die Möglichkeit einer realen Unterstützung von Belarus in dieser Frage und die Festigung des jungen unabhängigen Staates wurden vernachlässigt. Die polnische Seite erkannte nicht, dass die polnische Präsenz und Polonität in Belarus nicht immer auf Wohlwollen und Sympathie stoßen würden. Damit wurde die Frage der Polonisierung und der expansiven Tätigkeit der katholischen Kirche in Belarus bagatellisiert. Erst mit den politischen Veränderungen in Belarus in den Jahren 1994-1996, die große Bedeutung für die politische Zukunft des Landes hatten, unternahm die polnische Seite Schritte zur Festigung der belarussischen Unabhängigkeit. Diese Maßnahmen kamen jedoch zu spät und hatten keinen großen Einfluss auf die neuen Prioritäten der belarussischen Außenpolitik. Das Ziel der Politik gegenüber Belarus wurde die Stärkung der Unabhängigkeit und Souveränität sowie gleichzeitige Bemühungen um die Demokratisierung des belarussischen Regimes. Die von Polen seit 1996 verfolgte Politik des kritischen Dialogs gegenüber Belarus bestand darin, Arbeitskontakte auf niedrigem Niveau aufrechtzuerhalten, das Regime nachsichtig zu behandeln und demonstrativ die Bereitschaft zu zeigen, Kontakte zu pflegen, um grundlegende Rechte für die polnische Minderheit in Belarus zu gewährleisten. Es wurde kein Notfallplan vorbereitet, also ein Konzept der Zusammenarbeit mit einem Staat, der die demokratischen Standards nicht erfüllt. Ein ungünstiges Element in den polnisch-belarussischen Beziehungen war die Politisierung der polnischen Minderheitenfrage in diesem Land. Derzeit sind die politischen Fragen in den bilateralen Beziehungen zwischen Polen und Belarus die schwierigsten und erfordern besondere Sensibilität beider Seiten. Polen und Belarus sind Mitglieder verschiedener politisch-ökonomischer und militärischer Organisationen. Beide Staaten vertreten auch unterschiedliche Ansichten zu Demokratie und Menschenrechten und sind Beispiele für unterschiedliche Modelle des politisch-sozialen Systems. Das beispiellose Ausmaß an Wahlfälschungen und die sehr brutale Reaktion der Sicherheitskräfte auf die friedlichen Demonstrationen Tausender Belarussen im August 2020 führten zu einem Wendepunkt in den polnisch-belarussischen Beziehungen. Polen nahm eine entschiedene Haltung gegen solche Aktionen ein und beteiligte sich aktiv am Aufbau internationaler Unterstützung für demokratische Veränderungen in Belarus. Als Reaktion auf die anhaltenden Repressionen gegen belarussische Bürger nahm die polnische Seite etwa 100.000 Menschen auf, die Belarus verlassen hatten oder zur Ausreise gezwungen worden waren, und engagierte sich aktiv für die Unterstützung demokratischer Veränderungen in Belarus.