Prof. Dr. habil. Stanisław Obirek

Prof. Dr. habil. Stanisław Obirek (geb. 1956) – Ordinarius an der Uniwersität Warschau, im American Studies Center. Studium der polnischen Philologie an der Jagiellonen-Universität Krakau, Philosophie und Theologie in Neapel und an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. 1997 Habilitation an der Fakultät für Geschichte der Jagiellonen-Universität. Im Jahr 2002 veröffentlichte er eine Anthologie Was haben wir gemeinsam? Dialog mit Nichtgläubigen, 2006 Religion – Zuflucht oder Gefängnis?, 2008 Die Ränder des Katholizismus, 2009 Katholizismus als kulturelles Phänomen in der Zeit der Globalisierung: Eine polnische Perspektive, 2010 Der geflügelte Geist. Walter Ongs Anthropologie des Wortes, 2011 The Liberated Mind.
2011 Der befreite Geist. Auf der Suche nach einem reifen Katholizismus, 2013 gemeinsam
mit Zygmunt Bauman Vom Gott und Menschen. Gespräche, 2015 Über die Welt und uns selbst und Pole Catholic?, 2020 zusammen mit Artur Nowak Ein schmaler Pfad. Warum ich die Kirche verließ, 2020 zusammen mit Zygmunt Bauman (posthum) On the World and Ourselves, 2020 zusammen mit Arno Tausch Globaler Katholizismus, Toleranz und offene Gesellschaft. Eine empirische Studie über die Wertesysteme der Katholiken, 2021 Pole Catholic after the Transitions (2. erweiterte Auflage von Pole Catholic?), zusammen mit Artur Nowak 2021 Gomorrah. Macht, Furcht und Geld in der polnischen Kirche, mit Artur Nowak 2022 Babylon. Eine Kriminalgeschichte der Kirche. Stanisław Obirek erforscht den Stellenwert der Religion in der zeitgenössischen Kultur, sein Interesse gilt dem interreligiösen Dialog, den Auswirkungen des Holocaust und den Möglichkeiten zur Überwindung religiöser, zivilisatorischer und kultureller Konflikte.
Vortragsthema: Demokratie im Schatten des Katholizismus
Ganz Berlin hat zusammen mit den Ländern des Sowjetblocks 1989 einen Demokratisierungsprozess eingeleitet, der bis heute anhält. Dieser Prozess hat eine uns wohlbekannte Vorgeschichte. Von August bis Mitte November 1989 wohnte ich in Kladow und erlebte am 9. November zusammen mit den Berlinern die Euphorie der Öffnung. Ausgerechnet diesen Tag haben wir in Ost-Berlin verbracht und fuhren am 9. November über den überfüllten U-Bahnhof Friedrichstraße zurück. Seitdem sind mehr als 20 Jahre vergangen und unsere Demokratien kämpfen immer noch mit dem Erbe der Vergangenheit.
Das stellt sich in Deutschland und in Polen unterschiedlich dar.
In meinem Vortrag werde ich mich auf Polen konzentrieren, da ich es besser kenne. Ich möchte meine Überlegungen in zwei Teile gliedern. Zunächst werde ich die Zeit von 1989 bis 2005 beschreiben. Damals war ich Jesuit mit einem tiefen Bewusstsein, die aufkommende Demokratie in unserem Land mitzugestalten. Im Jahr 2005 verließ ich den Orden und trat aus der katholischen Kirche aus. In beiden Perioden teilte ich jedoch der Überzeugung, dass der polnische Katholizismus es versäumt hat, sich in die zivilisatorischen Veränderungen, die sich vor seinen Augen abspielen, einzuschreiben.
Stattdessen ist er zu einem der Haupthindernisse für diese Transformation geworden. Abschließend möchte ich versuchen, mögliche Szenarien für die Zukunft zu skizzieren. Diese können auch Gegenstand unserer Diskussion sein.