Prof. Dr. hab. Andrzej Friszke

Andrzej Friszke, geb. 1956 in Olsztyn/Allenstein, Historiker, Professor. Er schloss ein Studium der Geschichte an der Warschauer Universität ab (1979). Seit 1978 Mitglied des Klubs der katholischen Intelligenz (KIK), seit 1980 ordentliches Mitglied, 1979-81 Mitarbeiter des KIK, 1981 Redaktionsmitglied von „Tygodnik Solidarność” und Redakteur der historischen Redaktion, seit 1982 Redakteur der historischen Redaktion von „Więź”, seit 1985 Mitglied des Redaktionskollegiums von „Więź“. Zwischen 1989-91 und 2012-18 Vorstandsmitglied des KIK in Warschau. Seit 1990 Mitarbeiter des Instituts für politische Studien der Polnischen Akademie der Wissenschaften, erreichte dort weitere wissenschaftlichen Grade, seit 2010 Professor, seit 2013 korrespondierende Mitglied der  Polnischen Akademie der Wissenschaften. In zahlreichen Publikationen analysierte er die Geschichte der demokratischen Opposition in der Volksrepublik Polen, darunter die Geschichte der Bewegung Znak und der Unabhängigen Gewerkschaft „Solidarność”.

Thema:  Das polnische Institut für Nationales Gedenken (IPN) und die deutsche Gauck-Behörde BStU – Ähnlichkeiten und Unterschiede.

Das Institut für Nationales Gedenken entstand 1999 als staatliche Institution, die folgende Ziele verfolgen sollte: vom Staatssicherheitsdienst die Akten aus der Zeit der Volksrepublik Polen übernehmen; eine Ehrenwiedergutmachung für die Opfer des Regimes sowie rechtlich-strafrechtliche Ermittlungen gegen Personen aufnehmen, die sich in jener Zeit Straftaten schuldig gemacht hatten; Archivmaterial des Staatssicherheitsdienstes der Forschung zur Geschichte der Volksrepublik Polen zugänglich machen, um die bereits laufenden wissenschaftlichen Forschungen zur Nachkriegsgeschichte Polens zu erweitern und zu bereichern. Im Laufe seiner Existenz unterlag das Institut für Nationales Gedenken einer Evolution, die eine Folge der Erwartungen der rechten Seite des politischen und ideologischen Spektrums in Polen war. Diese strebte danach, dass das Institut zum Gestalter einer neuen Geschichtspolitik werde, eine entsprechende nationale Tradition aufbaue, die sich auf Antikommunismus stützten und die nach 1945 gegen die Diktatur unternommenen Aktivitäten hervortun sollte. Es ging auch darum, das IPN von einer staatlichen Institution, die in den Bereich von Rechtsprechung und Archiven gehörte, in eine Institution zu verwandeln, die eine gesellschaftliche und eine Bildungsbewegung mit den oben genannten Zielen erfüllte. Man wollte es mit der gleichzeitig verlaufenden Lustration verbinden (bis 2006 gab es eine gesonderte Behörde), und infolge dessen eine gesellschaftliche Wandlung in der Wahrnehmung der Vergangenheit, eine Stärkung der Dekommunisierungs- und Lustrationsbewegung erreichen, die wiederum politische Veränderungen bringen würden, u.a. den Austausch der Eliten und Autoritäten sowie die Abschaffung des „Postkommunismus“. Die Geschichte des IPN war die Entwicklung dieses Prozesses unter den ständig unternommenen Versuchen, ihn zu ordnen und zu bremsen, um einen überpolitischen und inhaltlich wissenschaftlichen Charakter der Institution zu erhalten. Dabei traten auch starke Emotionen auf, die die Aktivitäten dieser Institution begleiteten und einen Einfluss auf die politischen Veränderungen in Polen hatten.

Der Vergleich des IPN mit der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU), die anfänglich als Vorbild für ähnliches Vorgehen in Polen genommen wurde, ist insofern schwierig, da sich die deutsche Behörde auf einen Staat bezieht, der 1990 aufgehört hatte zu existieren, und in Bezug auf diesen Aktivitäten unternimmt. Das hatte auch Konsequenzen in Bezug auf dessen Beamten. In Polen dagegen kam es zu einer Transformation des politischen Systems im Rahmen desselben Staates, in vielen Bereichen wurde also eine Kontinuität erhalten.

In der Vorlesung werden diese Probleme und die daraus folgenden Dilemmata reflektiert.