Prof. Dr. hab. Tomasz Schramm

ordentlicher Professor im Institut für Geschichte, Adam Mickiewicz Universität Poznań.
Die wichtigsten Schwerpunkte seiner Foschung: politische Geschichte des 19. und 20. Jhs., insbesondere die deutsch-französischen Beziehungen, Geschichte Europas, Geschichte der Universität Poznań.  Hochschullehrer an den Universitäten Paris I, Paris IV, in Straßburg und Neuchâtel. Ehrendoktorwürde der Jan Kochanowski Universität in Kielce, Honorarprofessor der Marie Curie-Skłodowska Universität Lublin, Vizevorsitzender von Association Internationale d’Histoire Contemporaine de l’Europe, Mitglied des Zentralvorstands der Polnischen Historischen Gesellschaft, Honorarkonsul von Frankreich in Poznań.

Thema: Der Versailler Vertrag und die polnische Frage. Zur geopolitischen Situation in Europa nach dem Ersten Weltkrieg.
Der Erste Weltkrieg hat die bis dahin geltende internationale, durch das Großmächtesystem dominierte Ordnung zerstört. Als der Krieg zu Ende war, galt es die politische Landkarte des europäischen Kontinents neu zu gestalten und die internationalen Beziehungen neu auszurichten. Die neue Ordnung wurde nach Versailles, der inoffiziellen aber gebräuchlichen Bezeichnung für den Friedensvertrag mit Deutschland, benannt. Der Versailler Vertrag richtete sich gegen das besiegte Deutschland und wurde im Wesentlichen von zwei Siegermächten, Großbritannien und Frankreich, bestimmt. In der Außenpolitik des Letzteren spielte jahrhundertelang derjenige Partner eine Rolle, der eine mitteleuropäische Großmacht von der östlichen Seite her im Schach halten sollte. Diese Großmacht war seit seiner Einigung Deutschland, und der Partner im Osten – Russland.

Russland befand sich  nach dem Krieg und infolge des revolutionären Wandels außerhalb des europäischen Systems. In der geopolitischen Konstellation trat an seine Stelle – wie auch an Stelle der habsburgischen Monarchie – ein Mosaik aus mehreren kleineren Staaten, die zum großen Teil neu entstanden sind. Einen besonderen Platz unter ihnen nahm aufgrund seiner Größe und der zentralen Lage Polen ein.

In der neuen geopolitischen Situation stand der wiedererrichtete polnische Staat im Hinblick auf die Außenpolitik vor drei grundsätzlichen und dringenden Aufgaben: Polen hatte zum einen seine Beziehungen zu den ehemaligen Teilungsmächten zu regeln, die ihre bis dahin im Besitz befindlichen Territorien zu seinem Gunsten einbüßten, des weiteren musste es sein Verhältnis zu den Urhebern des Versailler Vertrages regeln und schließlich seinen Platz im System definieren.